Savoca ist Filmgeschichte, dank dem Mafiastreifen “Der Pate” und Savoca lebt, dank den aristokratischen Mumien, welche viele Touristen anlocken, die sich gerne etwas gruseln wollen.
Bei einem Rundgang durch das Dorf Savoca (1650 Einwohner), gelangt man vorbei an der Kirche San Michele und San Nicolò, bis zur etwas weiter entfernten Mutterkirche. Sie stammt aus der Normannenzeit und strömt eine sagenhafte Atmosphäre aus. Sizilien ist sehr stark mit dem katholischen Glauben verbunden und genau diese Kirche stellt diese Verknüpfung durch ein unscheinbares Band dar, sie ist wie der Inbegriff des Katholizismus auf Sizilien.
Auf dem Spaziergang durch Savoca lassen wir uns durch das Panorama betören, welches uns geboten wird. Bei gutem Wetter - was fast immer auf Sizilien der Fall ist – hat man eine beeindruckende Fernsicht ins Agrò-Tal, eine wunderschöne, hüglige Landschaft. Nach so viel Fußmarsch wird man durstig und insbesondere durstet einem nach dem Besuch der charakteristischen Bar Vitelli welche im Film „Der Pate“ verewigt ist. Lange hält man es in der heimeligen Bar aber nicht aus, denn die stetige Berieselung mit der selben Filmmusik ist nichts für jedermanns Nerven. Aber immerhin knipsen wir ein paar schöne Fotos für unser Ferienalbum, allerdings nur mit unserer Wenigkeit und ohne den attraktiven Al Pacino.
Das Museum mit den Mumien befindet sich im Kapuzinerkloster an der Hauptstrasse. Verwaltet wird das Museum von Klosterfrauen und die Öffnungszeiten sind auf den Morgen bis 13 Uhr beschränkt. Die Mumien stammen aus der Zeit zwischen 1700 und 1876. Aus den etwas verlöcherten, aber noch immer schicken Kleidern mit Maschen und Rüschchen gucken kahle Schädel und Skeletthände hervor. Ein paar der verstorbenen Aristokraten tragen an ihren knochigen Füssen noch immer elegante Schuhe mit einer Silberschnalle drauf. Ob sich die Herrschaften wohl etwas genieren würden, wenn sie wüssten, dass sie zu Schreckgespenstern geworden sind? Andererseits: es gibt Leute, welche nicht mal zu Lebzeiten beachtet werden!
Ebenfalls im Agrò-Tal, hinter Savoca und auf 400 Meter über dem Meeresspiegel liegt das gemütliche Dorf Casalvecchio Siculo. Der Ursprung dieses Ortes geht auf die byzantinische Zeit zurück. Ein eindrücklicher Zeuge dieses Zeitalters ist die Peter-und-Paul Kirche im Tal von Casalvecchio. Die aus roten, schwarzen und weißen Steinen gebaute Kirche war im Jahre 1117 nach einem Erdbeben wieder neu rekonstruiert worden. Die Bauart spiegelt den Einfluss der Normannen, der Araber und der Byzantiner wieder. Gerade die Einfachheit setzt den Glauben und nicht die Macht in den Mittelpunkt. Die Kirche ist leider nicht immer zu besichtigen. Eine ebenso interessante kleine byzantinische Kirche befindet sich im nahen Alcantara-Tal: die Cuba von Santa Domenica.
Rund tausend Einwohner zählt das Dorf Casalvecchio und jeder kennt jeden, wie in jedem kleinen Ort. Wenn die Sonne während den Sommermonaten ihre Macht spielen lässt und die Insel in ihren Besitz nimmt, dann gewährt sich der Sizilianer eine erfrischende Granita (Speiseeis) mit einem warmen Brötchen (Brioche) zum Frühstück. Die Bar an der Hauptstrasse stellt unter anderem eine leckere Granita aus Erdbeeren her, ein absolutes Muss… Wie bei allen Delikatessen auf Sizilien wird einem davon abgeraten, die Kalorien zu zählen… einfach nur genießen.
So klein der Ort auch sein mag, so hat er doch einiges an Sehenswürdigkeiten zu bieten. Wenn man von der Dorfstrasse (vom Meer her kommend) rechts den kleinen Gassen den Hang hinauf folgt, dann gelangt man zum Dorfbrunnen. Handbemalte Keramiken erzählen vom früheren Alltag: von den Mühen und Freuden. Beim Brunnen, oder eben eher als Quelle bezeichnet, gab es Abtrennungen: ganz am Anfang, bei den steinernen Gesichtern, sprudelte das Trinkwasser heraus, ein Teil des Brunnens war für die Wäscherinnen bestimmt und ein Abschnitt war für die Tränke der Tiere gedacht.
Dem Dorfheiligen Sankt Onofrio ist die barocke Dorfkirche geweiht, sie stammt aus dem 17. JH n. Chr und beim Erdbeben im Jahre 1908 trug sie beträchtliche Schäden davon. Sankt Onofrio zu ehren wird am zweiten Sonntag im September ein Dorffest veranstaltet. Eine sehr humoristische Figur und stark mit dem Dorf und seiner Geschichte verknüpft ist das Kamel „U Camiddu“. Ein als Kamel verkleidete Mann wird während den Festlichkeiten durch das Dorf gescheucht, das arme Tier wird geschlagen, geneckt und angeschrieen, bis es endlich, unter Tambouren-Getrommel gezähmt wird. Der Kamel-Dompteur ist niemand geringer als Casalvecchio, das gesamte Dorf und das arme Tier stellt das Nachbardorf Savoca dar, von welchem Casalvecchio bis 1793 abhängig war. Wie man in einem kleinen Bergdörfchen auf die Idee eines Kamels kommt, wenn doch weit und breit keine solchen Wüstenschiffe zu finden sind? Die beiden Höcker des Kamels stellen den Monte Bivertice bei Savoca dar, daher muss das arme Tier als Sündenbock hinhalten.
Micheline Holweck